Montag, 19. Dezember 2016

Unruhige Weihnachten 2016

Montagmorgen, 19. Dezember. mein erster Urlaubstag, Vorweihnachtszeit. Vorfreude auf das Wiedersehen mit alten Freunden und .. ja, Familie. Ich habe ab heute Urlaub und muss erst am 3. Januar wieder ins Büro. Grund genug, sich besinnlich zurückfallen zu lassen. Sei es, in Ruhe all die Bücher weg zu lesen, die mich wirklich interessieren: Menschheitsgeschichte, Evolution. Sei es, mich in die Ströme der Touristen und Einkäufer am Leipziger Platz oder auf dem Kurfürstendamm zu stellen, um sie zu fotografieren. Um blind die Details festzuhalten, die später einmal als typisch für diese Zeit gelten werden und von denen ich heute noch nicht weiß, welche das sein werden.

Andererseits, wer wird sich mal für diese Zeit interessieren? Wir sind ja noch in der Anbahnung auf etwas hin. Etwas, das alle spüren, aber nicht in Worte fassen können. Nicht zuletzt deshalb, weil Politiker längst begonnen haben, unsere Worte zu reglementieren. In der letzten Folge der TED Radio Hour sagte jemand dazu: "Rund um die Welt fühlen sich immer mehr Leute von der Steuerung der Globalisierung ausgeschlossen." 

Nein, ich fühle mich nicht von der Steuerung der "Globalisierung" ausgeschlossen. Sondern von der Kontrolle über den Fortbestand unserer Grundwerte. Falls heute mit "Globalisierung" (oder, im Merkelsprech: mit "Modernisierung") die unkontrollierte Einwanderung gemeint sein sollte, dann zähle ich mich keineswegs zu den Globalisierungs- oder Modernisierungsverlierern. Denn noch haben die Regierungen die Karten nur verteilt. Aufgenommen haben wir sie noch nicht. Denn wir überlegen inzwischen, ob wir überhaupt weiterspielen oder den Tisch umtreten werden.

Ich habe beim Medienkonsum und auch im Kontakt mit Menschen immer häufiger den Eindruck, dass eine Gehirnwäsche im Gange ist. Man kriegt sich nicht mehr "and die Köppe" (wie man im Ruhrpott sagt), sondern bricht empört -oder künstlich empört- die Diskussion ab. Man tastet sich vorsichtig an Diskussionspunkte, um mal zu erfahren, wie der andere so tickt. Und sobald allererste, leiseste Anzeichen für eine "abweichende" Haltung sichtbar werden, wird abgebrochen. "Aha, einer von denen." Auf Twitter heißt das: "Schade, dass du nicht an einer Diskussion interessiert bist." Oder man blockiert den anderen sofort.

Wer sich kreuz und quer informiert, also sowohl Regierungssender konsumiert als auch Blogs von Unabhängigen liest, glaubt an die Everet'sche Viele-Welten-Theorie. Und obendrein, dass man heutzutage leicht zwischen ihnen wandeln kann: Ich sehe das Video vom bulgarischen U-Bahn-Treter und lese von Margot Kässmann, dass sie bei dessen Anblick sich "einen schönen Tee aufgießt und eine  Kerze anzündet" (Link). Nach jedem neuen Attentat eines Islamisten, findet der grüne Nachwuchs "das schlimmste, dass das Wasser auf die Mühlen der Rechten" ist. Der Teil des Nachwuchses, der nach unbezahlten Praktika entschieden hat, es der Mittelschicht für immer heimzuzahlen, und eine Politikerkarriere einschlägt, legt jede Empathie, jeden humanen Zug ab. Und die Praktikanten, die sich in den Agenturen ihren Weg nach oben bahnen, hauen ebenso empathiefrei auf meinungsabweichende Journalisten drauf. Jedenfalls solange, bis sie an den Richtigen geraten, und am Ende ihren Hut nehmen. Es würde mich nicht wundern, wenn Hensel es demnächst auch als Politiker probiert. 

Mittwoch, 21. September 2016

Sommertage

Im August, während meiner letzten Urlaubswoche, drehte der Sommer noch mal so richtig auf. Es kamen die Tage, in denen die Zeit still zu stehen scheint unter dem Regiment der hoch stehenden Sonne. Der See, das Schilf, die Wiesen stehen im gleißenden Licht und für Mensch und Tier ist es zu warm, um irgendwas zu unternehmen. Darauf sind wir im Hochsommer alle verständigt: Es muss nichts gearbeitet werden, nichts fertig werden. Stattdessen verlangsamen wir bis zum Stillstand. Das Wetter ist das einzige, was passiert.

Allenfalls gehen wir in den See schwimmen, um uns abzukühlen und mit allen Sinnen aufzunehmen: es ist Sommer.

Es sind die Tage, die wir im Nachhinein nicht mehr unterscheiden können. Weil wir sie so gestalten, wie wir uns perfekte Sommertage vorstellen: Draußen frühstücken, dann mit Badehandtuch und iPod oder einem Buch auf die Liege. Den Sonnenschirm aufstellen. Barfuß über den Rasen laufen. Wer der Stille lauscht vernimmt allenfalls mal ein Flugzeug oder einen Rasenmäher.

Das Urlaubsgefühl steigert sich noch, wenn andere um uns herum geschäftig sind - natürlich in gebührendem Abstand, so dass wir nicht auf sie reagieren müssen.

Wie wäre es jetzt, ins Wasser zu gehen? Über den gemähten Weg durchs Schilf zum Steg. Vom Stegende ins Wasser springen. Die Kühle tut gut, wenn es so heißt ist. Dann weiter gehen, bis an die Kante, wo das Schilf endet und ab da kann man schwimmen. Schwapp, rein, herrlich. Wir tauchen ins Wasser und indem wir von ihm umfangen sind, entkoppeln wir uns von allem, was auf dem Festland passiert. Wir entrücken uns und spüren nur noch: Sommer.