Dienstag, 27. Dezember 2011

Fallstudie: Strategische Erkenntnisse aus einer Patentanalyse

Mit Patentdatenbanken ist es so: Entwicklern graut es davor, sie durchwühlen zu müssen um womöglich etwas zu finden, was sie dann noch lesen müssten. Und Produktmanager und Marketingstrategen kommen nicht auf die Idee, dort mal reinzuschauen.

Dabei gibt es für Technologieunternehmen kaum eine wertvollere Informationsquelle als Patentdatenbanken. Und das auch noch kostenlos. Aber vielleicht ist genau das das Problem: Was nichts kostet, ist auch nichts (wert). Ich hoffe, dass die Patentämter nie auf die Idee kommen, Nutzungsgebühren für ihre Onlinedatenbanken einzuführen. Merksatz fürs Büro: 80% der Technik- und Marktinformationen, die in einem Patent enthalten sind, stehen nirgendwo anders.

Ein Beispiel, was man aus Patentinformationen rausziehen kann, gab vor zwei Jahren das Magazin ipFrontline. Ich finde es so beeindruckend und lehrreich, dass ich es hier verkürzt widergeben möchte. (Quelle: www.ipfrontline.com)

1) Patentinformationen
Explizit recherchierbar und extrahierbar sind folgende adressierbaren Datenfelder in Patentdatenbanken:
Patenttitel, Zusammenfassung, Erfindungsbeschreibung, Datum von Anmeldung und Erteilung, Namen von Unternehmen und Erfindern, zitierte Patente, Patentansprüche, Zeichnungen.

Implizite Patentinformationen, die auf Auswertungen von recherchierten Mengen an Patentdokumenten basieren, sind u.a.:
Anzahl von Patenten und -anmeldungen eines Unternehmens in einem bestimmten Technikfeld, Anzahl Patentanmeldungen in einem Technikfeld über die Jahre, Patentqualitäten bzw. -relevanzen (über die Anzahl an Zitierungen), Industrietrends, FuE-Entwicklungen von Marktteilnehmern, Stand der Technik, geschützte Problemlösungen,

All diese Informationen werden in den meisten Unternehmen nicht erhoben, weil das Management glaubt, dass das zu zeitaufwendig und teuer sei. Besonders ausgeprägt sei das Unverständnis über den Wert von Patentinformationen in kleinen und mittleren Unternehmen mit weniger 500 Mitarbeitern. (Anm.: Ich kann das bestätigen, kenne aber auch Ausnahmen.)

Andererseits gaben die aktivsten Patentanmelder beim europäischen Patentamt in einer Umfrage an, dass sie besonders an folgenden Informationen und -diensten interessiert sind:

1 - Technologiebeobachtung
2 - Wettbewerbsbeobachtung
3 - Marktbeobachtung
4 - Benachrichtigungsservices ("Alarme")
5 - Praktische Beratung

2) Fallbeispiel
Wie man aus Daten Informationen macht. Samsung untersucht ein Toshiba Patent für einen tragbaren Computer.
Das Ziel: Erkenntnisse über Toshibas Strategie im Markt für tragbare Computer.
Fragestellungen:
1 - Hat der Markt für tragbare Computer ein robustes Wachstum?
2 - Wie gut ist Samsung gegenüber seinem Wettbewerber Toshiba aufgestellt?
3 - Stellt das Toshiba Patent für Samsung eine Bedrohung dar?
4 - Wieviele Patente spielen in diesem Technikfeld eine Rolle?
5 - Hat Samsung selbst einen wertvollen Patentkorb in diesem Segment?

Anmerkung: Zur Zeit der Erstellung dieser Untersuchung war von Tabletcomputern noch keine Rede. Auch spielt Toshiba inzwischen keine große Rolle mehr auf dem Markt. Umso interessanter, was man damals aus verfügbaren Patentinformationen hätte ableiten können..

Der Autor zieht dann zunächst die expliziten Informationen aus der Patentschrift: Titel, Anmelder, Erfinder, Beschreibung, Anmeldedatum. Das sind die Stammdaten.

Nun zu den impliziten Infos und der Beantwortung der o.g. Fragen:

zu 1 - Robustes Wachstum?
Zeichnete man 2009 die jährlichen Patentanmeldungen (je nach betrachtetem Markt, entweder Länder, oder PCT-Anmeldungen) in dem Technikfeld auf einer Zeitachse, sah man bis 2002 einen tlw. unterbrochenen Anstieg. 2003 kam ein Einbruch unter das Niveau von 2001, danach ein noch steilerer Einbruch auf das Niveau von 1991.
Mein Fazit (Anm.: Abweichend von der des Autors): Dieser Markt hat seine innovativste Phase hinter sich und befindet sich vermutlich in der Preiskampfphase.

zu 2 - Wie steht Samsung im Wettbewerb?
Hierzu erstellt man sich eine Übersicht über die Inhaber der 100 relevantesten Patente. Hierzu muss man wissen, wie man die 100 relevantesten aus einer Datenbank zieht: Dies ist mit den kostenlosen Datenbanken der Patentämter schon etwas schwieriger, mit den kommerziellen Tools geht es besser.
Im Ergebnis liegt Samsung jedenfalls an erster Stelle. Fazit des Autors: Samsung muss seine FuE Anstrengungen hier nicht erhöhen, weil es die meisten relevanten Patente hat.

zu 3 - Welche technische Lehre offenbart das Toshiba Patent?
Hierzu werden zuerst die ICP Klassen des Patents selbst und der Patente, die zitiert werden (vom Anmelder und vom Prüfer) ausgewertet. Daraus werden Technologiecluster formuliert. Diese Cluster werden vom Toshiba Patent berührt. Was genau geschützt wird, beschreiben die Patentansprüche.

Ist das Toshiba Patent eine Bedrohung für Samsung?
Hierzu werden diverse Statistiken wie z.B. Zitierungen ausgewertet. Auch wird das Anmeldejahr bewertet, da sich aus diesem die Restlaufzeit (20 Jahre minus x) ergibt

zu 4 - Anzahl der relevanten Patente
Summenbildung über Patente, die das Toshiba Patent zitieren, semantische Analysen und ICP-Auswertungen

zu - 5 Hat Samsung selbst einen wertvollen Patentkorb?
Aus der Menge der relevantesten Patente werden diejenigen von Samsung und Toshiba abgezählt. Im Ergebnis hat Samsung mehr als Toshiba. Daraus folgert der Autor, dass Samsung nicht zwangsläufig mehr in seine FuE investieren muss.
Es werden auch Zeichnungen von Laptop- und Notebookvarianten gezeigt, die die Ausgangsbasis für die späteren Tabletcomputer darstellen. Auch hier ist Samsung gut aufgestellt.

3) Fazit
Der Autor zieht folgendes Fazit:
1. Der Markt für tragbare Computer (Anm.: solche mit Tastatur und Trackfield für Zeigersteuerung) wächst.
2. Samsung hat hierfür mehr relevante Patente als Toshiba.
3. Das betrachtete Toshiba Patent ist statistisch schwach, wird nicht als Bedrohung (kein teures Prozessrisiko) betrachtet.
4. Samsung hat Patente für viele wichtige Techniken in diesem Produktumfeld.
5. Samsung muss derzeit nicht mehr in seine FuE investieren. Sollte sich die Anzahl der Patentanmeldungen in einer der Weiterentwicklungsvarianten (aus heutiger Sicht: Tabletcomputer) erhöhen, sollte Samsung wieder mehr investieren, da dies als Initialzündung für einen neuen Trend gewertet werden könne.

Fallstudie: Strategische Erkenntnisse aus einer Patentanalyse

Mit Patentdatenbanken ist es so: Entwicklern graut es davor, sie durchwühlen zu müssen um womöglich etwas zu finden, was sie dann noch lesen müssten. Und Produktmanager und Marketingstrategen kommen nicht auf die Idee, dort mal reinzuschauen.

Dabei gibt es für Technologieunternehmen kaum eine wertvollere Informationsquelle als Patentdatenbanken. Und das auch noch kostenlos. Aber vielleicht ist genau das das Problem: Was nichts kostet, ist auch nichts (wert). Ich hoffe, dass die Patentämter nie auf die Idee kommen, Nutzungsgebühren für ihre Onlinedatenbanken einzuführen. Merksatz fürs Büro: 80% der Technik- und Marktinformationen, die in einem Patent enthalten sind, stehen nirgendwo anders.

Ein Beispiel, was man aus Patentinformationen rausziehen kann, gab vor zwei Jahren das Magazin ipFrontline. Ich finde es so beeindruckend und lehrreich, dass ich es hier verkürzt widergeben möchte. (Quelle: www.ipfrontline.com)

1) Patentinformationen
Explizit recherchierbar und extrahierbar sind folgende adressierbaren Datenfelder in Patentdatenbanken:
Patenttitel, Zusammenfassung, Erfindungsbeschreibung, Datum von Anmeldung und Erteilung, Namen von Unternehmen und Erfindern, zitierte Patente, Patentansprüche, Zeichnungen.

Implizite Patentinformationen, die auf Auswertungen von recherchierten Mengen an Patentdokumenten basieren, sind u.a.:
Anzahl von Patenten und -anmeldungen eines Unternehmens in einem bestimmten Technikfeld, Anzahl Patentanmeldungen in einem Technikfeld über die Jahre, Patentqualitäten bzw. -relevanzen (über die Anzahl an Zitierungen), Industrietrends, FuE-Entwicklungen von Marktteilnehmern, Stand der Technik, geschützte Problemlösungen,

All diese Informationen werden in den meisten Unternehmen nicht erhoben, weil das Management glaubt, dass das zu zeitaufwendig und teuer sei. Besonders ausgeprägt sei das Unverständnis über den Wert von Patentinformationen in kleinen und mittleren Unternehmen mit weniger 500 Mitarbeitern. (Anm.: Ich kann das bestätigen, kenne aber auch Ausnahmen.)

Andererseits gaben die aktivsten Patentanmelder beim europäischen Patentamt in einer Umfrage an, dass sie besonders an folgenden Informationen und -diensten interessiert sind:

1 - Technologiebeobachtung
2 - Wettbewerbsbeobachtung
3 - Marktbeobachtung
4 - Benachrichtigungsservices ("Alarme")
5 - Praktische Beratung

2) Fallbeispiel
Wie man aus Daten Informationen macht. Samsung untersucht ein Toshiba Patent für einen tragbaren Computer.
Das Ziel: Erkenntnisse über Toshibas Strategie im Markt für tragbare Computer.
Fragestellungen:
1 - Hat der Markt für tragbare Computer ein robustes Wachstum?
2 - Wie gut ist Samsung gegenüber seinem Wettbewerber Toshiba aufgestellt?
3 - Stellt das Toshiba Patent für Samsung eine Bedrohung dar?
4 - Wieviele Patente spielen in diesem Technikfeld eine Rolle?
5 - Hat Samsung selbst einen wertvollen Patentkorb in diesem Segment?

Anmerkung: Zur Zeit der Erstellung dieser Untersuchung war von Tabletcomputern noch keine Rede. Auch spielt Toshiba inzwischen keine große Rolle mehr auf dem Markt. Umso interessanter, was man damals aus verfügbaren Patentinformationen hätte ableiten können..

Der Autor zieht dann zunächst die expliziten Informationen aus der Patentschrift: Titel, Anmelder, Erfinder, Beschreibung, Anmeldedatum. Das sind die Stammdaten.

Nun zu den impliziten Infos und der Beantwortung der o.g. Fragen:

zu 1 - Robustes Wachstum?
Zeichnete man 2009 die jährlichen Patentanmeldungen (je nach betrachtetem Markt, entweder Länder, oder PCT-Anmeldungen) in dem Technikfeld auf einer Zeitachse, sah man bis 2002 einen tlw. unterbrochenen Anstieg. 2003 kam ein Einbruch unter das Niveau von 2001, danach ein noch steilerer Einbruch auf das Niveau von 1991.
Mein Fazit (Anm.: Abweichend von der des Autors): Dieser Markt hat seine innovativste Phase hinter sich und befindet sich vermutlich in der Preiskampfphase.

zu 2 - Wie steht Samsung im Wettbewerb?
Hierzu erstellt man sich eine Übersicht über die Inhaber der 100 relevantesten Patente. Hierzu muss man wissen, wie man die 100 relevantesten aus einer Datenbank zieht: Dies ist mit den kostenlosen Datenbanken der Patentämter schon etwas schwieriger, mit den kommerziellen Tools geht es besser.
Im Ergebnis liegt Samsung jedenfalls an erster Stelle. Fazit des Autors: Samsung muss seine FuE Anstrengungen hier nicht erhöhen, weil es die meisten relevanten Patente hat.

zu 3 - Welche technische Lehre offenbart das Toshiba Patent?
Hierzu werden zuerst die ICP Klassen des Patents selbst und der Patente, die zitiert werden (vom Anmelder und vom Prüfer) ausgewertet. Daraus werden Technologiecluster formuliert. Diese Cluster werden vom Toshiba Patent berührt. Was genau geschützt wird, beschreiben die Patentansprüche.

Ist das Toshiba Patent eine Bedrohung für Samsung?
Hierzu werden diverse Statistiken wie z.B. Zitierungen ausgewertet. Auch wird das Anmeldejahr bewertet, da sich aus diesem die Restlaufzeit (20 Jahre minus x) ergibt

zu 4 - Anzahl der relevanten Patente
Summenbildung über Patente, die das Toshiba Patent zitieren, semantische Analysen und ICP-Auswertungen

zu - 5 Hat Samsung selbst einen wertvollen Patentkorb?
Aus der Menge der relevantesten Patente werden diejenigen von Samsung und Toshiba abgezählt. Im Ergebnis hat Samsung mehr als Toshiba. Daraus folgert der Autor, dass Samsung nicht zwangsläufig mehr in seine FuE investieren muss.
Es werden auch Zeichnungen von Laptop- und Notebookvarianten gezeigt, die die Ausgangsbasis für die späteren Tabletcomputer darstellen. Auch hier ist Samsung gut aufgestellt.

3) Fazit
Der Autor zieht folgendes Fazit:
1. Der Markt für tragbare Computer (Anm.: solche mit Tastatur und Trackfield für Zeigersteuerung) wächst.
2. Samsung hat hierfür mehr relevante Patente als Toshiba.
3. Das betrachtete Toshiba Patent ist statistisch schwach, wird nicht als Bedrohung (kein teures Prozessrisiko) betrachtet.
4. Samsung hat Patente für viele wichtige Techniken in diesem Produktumfeld.
5. Samsung muss derzeit nicht mehr in seine FuE investieren. Sollte sich die Anzahl der Patentanmeldungen in einer der Weiterentwicklungsvarianten (aus heutiger Sicht: Tabletcomputer) erhöhen, sollte Samsung wieder mehr investieren, da dies als Initialzündung für einen neuen Trend gewertet werden könne.

Donnerstag, 22. Dezember 2011

Weihnachtlicher Ku'damm






Dortmund, kurz nach der Flutung

Die Berichte über das verarmende Dortmund tun mir physisch weh. Was ist da los?

Demo von Dortmunder Studenten auf der B1. Preisfrage: Wann war das? Antwort: Juni 1993. Und worum ging es? Um die Kürzungen des Landes und des Bundes im Bildungssektor. Was, damals schon? Ja, damals schon.

Auf der Rückfahrt von GE machten wir neulich spontan Station in Dortmund. So sieht mein Hörsaalgebäude von damals heute aus. Nicht mehr taufrisch, Aber innen besser als außen.


Das Gelände um die Uni ist in fünfzehn Jahren weiter gewachsen und es wächst noch. Viele technische Spezialunternehmen sind hier entstanden. Die schaffen Arbeitsplätze, aber nur für die Absolventen der Uni und FH. Gesteuert werden die Themen und Unternehmen von den Fördergeldern und Forschungsaufträgen der Altunternehmen. Ich war damals Hiwi am Lehrstuhl für Energieversorgung. Und von wem kamen die meisten Aufträge? Vom Bergbau. Kein Witz. Meine Studienarbeit handelte vom Einsatz künstlicher neuronaler Netze beim Schutz von Stromnetzen unter Tage. So habe denn auch ich noch einmal die Hand an der Steinkohle gehabt. Wer sich damals für Wind- und Sonnenstrom einsetze und nach Studien- oder Diplomarbeiten fragte, musste sich für die wenigen Angebote hinten anstellen. Austoben konnte er sich in unserer "AG regenerative Energien". Wie ich schon mal sagte: Ich halte die Wissenschaftslandschaft in NRW -zumindest zwischen Dortmund und Gelsenkirchen- für nicht durchbruchsfähig, weil die Mentalität eher auf Kopfmaloche ausgerichtet ist, als auf wirklich neues Denken.

Apropos Maloche: Eine der wenigen Stätten wo Kunst die Oberhand über Maloche bekommen hat, ist die frühere Unionbrauerei. Heute Sitz des Ostwallmuseums (was empfehlenswert ist) und der Denkfabrik "ECCE" (abgeleitet von "Ecce homo", "siehe, der Mensch", was eine Anspielung auf die Mensch gewordene Kreativität Dieter Gorny sein soll). In der Lounge über den Dächern der früheren Bier- und Stahlstadt gibt es edle Tropfen. Bier soll es dort aber auch noch geben.



Gewachsen ist auch die Skyline. Neue Bibliothek und eine RWE Verwaltung.


Dann noch ein kurzer Ausflug nach Hoerde, zum "Port Phoenix". Und hier haut es mich um. Wo früher ein mauerumrandetes fauchendes, leuchtendes und rauchendes Industriegebiet war, wo man früher an der Mauer entlang fuhr, und wenn es dunkel war, die Augen nicht von der Fackel abwenden konnte, da steht heute keine Mauer mehr. Die alten Wohnbaracken, die mancher vor fünfzehn Jahren sicher nicht geschenkt genommen hätte, blicken heute auf einen Stadtsee. Hoerde schafft den Sprung aus dem Tabellenkeller an die Spitze, sagen die Immobilienmakler, die rund um den See große Werbetafeln für Eigentumswohnungen aufgestellt haben.
Aber was bedeutet dieses Gesamtkunstwerk? Ist es die perfekte Umsetzung von Kohls Satz von der Umwandlung der Industriegesellschaft in einen kollektiven Freizeitpark? Oder ein Symbol, das das letzte Mittel des Strukturwandels im Ruhrgebiet seine Flutung sein wird?
Ahoi, Ruhrpott!

Montag, 19. Dezember 2011

MIr kann keener: Selbstversorgung ist im Anmarsch

Sollten IWF und EZB mit ihren düsteren Prognosen recht behalten, steht uns schon wieder eine Rezession bevor. Die Frage ist natürlich, was sind Prognosen über die Realwirtschaft aus dem Munde von zu Bankern mutierten Politikern wert?

Weil wir viel zu sehr auf Exporte getrimmt sind, sind in unserem Land paradoxe Szenarien denkbar: Es kann passieren, dass unsere Bevölkerung nach wie vor kontinuierlichen Bedarf an Wohnungen, Lebensmitteln, Energie hat, also eine starke Nachfrage bildet, dies aber nicht reicht, um einen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern.

Eigentlich müsste es so gehen: Von Sättigung der Märkte sprechen wir erst dann, wenn wir alle wirklich gesättigt sind. Und zwar so, dass wir auch ein paar Quartale ohne Job über die Runden kommen. Wir müssen uns wieder mehr an dem orientieren, was wir selbst erleben und brauchen. Selbstversorgung, Vorräte, Haushaltsausstattung. Werkzeuge, Lebensmittel, Boden, Brennstoff.

In dem Maße, wie wir mit allem ausgestattet sind, müssten auch unsere Ausgaben sinken können und damit unsere Abhängigkeit vom Arbeitsmarkt. Dazu würde gehören, dass wir ordentlich Raum und Technik zum Anbau und für Lagerung haben. Nicht bloß einen kleinen Kühlschrank und kleinen Keller, den wir mit Müll vollstellen.

Solange wir das nicht haben, ist es unzulässig, von hohem Wohlstandsniveau zu sprechen. Vielleicht ist es sogar real gesunken, weil wir an Fähigkeiten und Maßstäben verloren haben.

Wer weiß schon noch, dass ein ausgewachsener Apfelbaum mehr trägt, als ein zweiköpfiger Haushalt in einem Jahr verbrauchen kann? Wie weit kommt man mit dem Fleisch eines Vieh? Wie viel Fläche braucht man für den persönlichen Bedarf an Kartoffeln? Wie viel Holz oder Pellets braucht man, um den Winter über heizen zu können? Wie viel Rotor- oder Modulfläche, um uns selbst mit Strom zu versorgen?

Wenn wir das alles haben, dann sind wir gesättigt und ziehen uns von den Märkten zurück. Es war lange üblich von guten Zeiten zu sprechen, wenn wir haben was wir brauchen. Heute nenne wir die Zeiten so, wenn andere nachfragen, was wir können. Aber wir müssen nur können, wenn wir nicht haben, was wir brauchen. In einem gesunden Konjunkturzyklus sind unsere Vorräte voll, wenn es mit der Konjunktur abwärts geht. Die Preise sinken, und wer gut getimt hatte, kauft dann billig.
Abschwungzeiten sind nur für die Anbieter schlecht, für Käufer sind sie gut. Und umgekehrt: Wenn sich die Vorräte leeren, dann springt die Nachfrage automatisch an. Nur in einer auf Export getrimmten Volkswirtschaft geht der Überblick komplett verloren.

Ich kenne keine Statistik darüber, ob wir haben, was wir brauchen. (Wahrscheinlich erinnert das jetzt manchen an die DDR Planwirtschaft, aber ich meine, die Perspektive des Verbrauchers ist die einzig wichtige für uns.)

Erst wenn wir das wieder wissen, sind wir Ökonomen und Wirte. Aber nicht, wenn wir uns an der Börse auskennen.

Komme mir jetzt keiner, ich wolle das Rad der Globalisierung zurückdrehen. Ich will noch aus einem anderen Grund wieder mehr Richtung Selbstversorgung: Wegen der Qualität. Als ich in diesem Sommer seit langem wieder selbst gepflanzte Erdbeeren gegessen habe, bin ich vor Geschmack fast umgefallen. Das gleiche im Frankreichurlaub: Solche Qualität kennen wir kaum noch. Sie hat ihren Preis, aber davon braucht man auch weniger, um den Bedarf zu stillen.

Dazu kommen die therapeutischen Wirkungen auf die in entfremdender Arbeitsteilung strapazierten Seelen. In einem Dorf, einem Bezirk, einer Stadt, in dem man mit Selbstproduziertem Handel treibt, blühen Wertschätzung und Selbstbestätigung. Burnout kennt man da nicht.

Der revolutionäre Schritt könnte darin bestehen, dass man einfach anfängt, es zu tun. Eine Schattenwirtschaft aufzubauen. Wieder DM zu akzeptieren. Und zwar da, wo Politiker es eh aufgegeben haben: In Brandenburg.

Und an der Globalisierung beteiligen wir uns als Verbraucher auch, Dank ebay. Wenn die Rohstoffpreise wieder steigen, dann kaufen wir Metallwaren eben in chinesischen Manufakturen.

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Armut in Deutschland

Armut ist in Deutschland seit langem ein relativer Begriff: Wer weniger als 50% des Durchschnittseinkommens bekommt, gilt als einkommensarm. Diese Definition greift natürlich nicht bei Vermögenden in Teilzeitarbeit oder ohne Arbeitseinkommen. Es gibt Leute, die müssen nicht arbeiten gehen.

Hier nun mal die Vermögensverteilung in Deutschland, wie sie die Bundeszentrale für politische Bildung für 2007 und 2002 ausweist.

Quelle: BPB

Auf der x-Achse die Bevölkerungsgruppen in 10%-Schritten, sortiert nach Vermögensgruppen. Auf der y-Achse die Anteile am Gesamtvermögen in Deutschland. Rein rechnerisch ergibt sich ein Durchschnittsvermögen von 88.000 EURO (!) pro mindestens 17-Jährigem (West: 101.000 EUR, Ost: 31.000 EUR). Wendet man obige Definition von relativer Armut an, ist man mit weniger als 44.000 EUR auf der hohen Kante arm. Auf wie viele Deutsche trifft das wohl zu?

Die BPB hat einen Median von 15.300 EUR ausgerechnet. D.h. wir haben eine Hälfte, die weniger, und eine, die mehr Vermögen als 15.300 EUR besitzt. Demnach wären weit mehr als die Hälfte der Deutschen "vermögensarm"..

Von 2002 bis 2007 hat die Vermögenskonzentration zugenommen. Zusätzlich ist der Westen reicher, der Osten ärmer geworden. Als Hauptursache nennt die BPB den Wertverlauf von selbstgenutzten Immobilien.

Über "die reichsten Deutschen" ist zumindest bekannt, wer sie sind: Forbes veröffentlicht die Liste jährlich. Sie besteht aus Erben, die als Unternehmer tätig sind.

Dienstag, 13. Dezember 2011

4G Mobilfunktechnik steht vor der Tür

Wenn die analogen Antennenfernsehfrequenzen bald abgeschaltet werden, wird ordentlich Platz frei im Äther. Wir werden in naher Zukunft vielleicht nicht nur die Abschaltung sämtlicher Analogsender erleben, sondern vielleicht auch die Abschaffung des klassischen Rundfunk überhaupt. Denn mit der letzten Ausbaustufe von 3G -3.9G- werden theoretisch bis zu 300 MBit Downloadrate möglich. Für den Mobilfunk.

Telekom, Vodafone, O2 und Eplus senden auf den Frequenzen zwischen 800 MHz und 2,6 GHz. Galt UMTS direkt nach der Lizenzversteigerung damals als Investionsgrab, weil irgendwie niemand wusste, wozu ein Handy so hohe Bandbreiten benötigen sollte, hat man diese Bandbreiten inzwischen hinter sich gelassen. 100 MBit wird der mobile Normalfall.

Die neue Mobilfunknetztechnik, mit deren Ausbau in diesem Jahr begonnen wurde, heißt Long Term Evolution. Der Name bezieht sich darauf, dass die Technik einen sukzessiven Ausbau der Bandbreiten ermöglicht, bis in die 4G Technik, die dann Advanced LTE heißen wird. Für die Einführung von LTE bauen die Netzbetreiber in die Mobilfunkracks einfach neue LTE-Einschübe ein. In der Einführungsphase können die Netze sowohl in LTE als auch in UMTS/HSPA gefahren werden.

LTE verbessert vor allem die Anbindung der Endgeräte (Smartphones, Router) ans Netz. LTE verwaltet nicht benötigte Bandbreiten besser, d.h. je weniger gerade parallel surfen in einer Mobilfunkzelle, desto mehr hat man selbst. Derzeit verliert man gerade in Ballungsräumen immer dann an gefühlter Bandbreite oder Downloadzeit, wenn der Ladebalken zwar startet, aber nicht durchläuft. Dann hat es Störungen auf einer Trägerfrequenz gegeben und es muss der Kanal gewechselt werden. Diese Störungen werden bei LTE weniger werden, man surft künftig besser in einem durch. Auch benötigen die Endgeräte weniger Leistung, um eine Mobilfunktverbindung aufrecht zu erhalten, was die Akkulaufzeiten verlängern wird.

2012 bis 2014 werden die Übergangsjahre, in denen wir alte Smartphones und die ab 2012 erhältlichen LTE-Geräte nebeneinander benutzen können. LTE wird Sprachverbindungen über ein erweitertes IP-Protokoll aufbauen.

Der Regulierer band die Lizenzvergabe an eine Bedingung: Zuerst werden die ländlichen Gebiete, die keine DSL-Versorgung haben, zum LTE-Netz ausgebaut. D.h. zu einem Festnetzbausbau im Ortsnetz wird es auf dem Dorf nicht mehr kommen. Man geht gleich drahtlos. Die Ausrüstung sieht dann so aus, dass man seinen WLAN-Router über eine zweite Antenne mit dem Mobilfunknetz verbindet. Erst danach werden die Ballungsräume auf LTE umgestellt und erst dann verdienen die Netzbetreiber auch Geld damit.

Gut für uns Kunden ist, dass Festnetz und Mobilfunk in neuen Wettbewerb treten, Festnetz-DSL sollte in den nächsten Jahren wieder einen Schwung billiger werden, oder mit interessanten "Inhalten" wie Filmen, Bundesliga etc. angereichert werden.

Sonntag, 11. Dezember 2011

Kalter Bürgerkrieg

Nachdem der Bundestag die "Kriegskredite" für die Rettung der Banken genehmigt hat (und die SPD wieder einmal zugestimmt hat), wird die Rhetorik der Banken und ihrer Lobbyisten rauher: Man müsse von einer Staatsschuldenkrise reden, nicht EURO- oder gar Kapitalismuskrise. Das wird wie automatisch übersetzt in, Griechenland habe seine Ausgaben nicht im Griff gehabt.

Dabei waren es lange Jahre die Einnahmen, die es nicht im Griff hatte, in dem seine Beamten Steuerhinterziehung, vor allem die im großen Stil, aber das kennen wir in DE auch, großzügig toleriert haben. Auf der Ausgabenseite waren und sind es vor allem die Rettung gefährderter Banken und die davon galoppierenden Zinsen, die die Privatbanken für die Zeichnung neuer Anleihen verlangen. (Übrigens: ein Problem, dass USA und GB einfach dadurch umgehen, dass sie für die Rettung von Banken im Gegenzug Aktien erhalten oder die Notenpresse für Notkäufe von Anleihen anwerfen und die Notenbank diese direkt erwerben lässt, ohne die kommerzielle Stufe privater Banken.

Die soeben geretteten Banken fordern im nächsten Schritt "Haushaltskonsolidierungen", "Sparkurs" oder auch "Reformen". Sprich: Die Einkassierung aller sozialen Errungenschaften der letzten fünfzig Jahre. Und wenn ein Land nicht mehr weiß, wie es die hohen Zinsen beschaffen soll, bieten sie höflich die Akzeptanz von Staatsgebieten oder anderer Volksvermögensteile an.

Die so vorgehen, sind auf dem Kriegspfad. Aber die Grenzen verlaufen nicht zwischen Ländern oder Banken bestimmter Länder. Nein, sie verlaufen direkt zwischen den Bevölkerungsschichten. Es ist ein Krieg mit wirtschaftlichen Mitteln von oben gegen unten.

Man könnte auch sagen: Ein kalter Bürgerkrieg, bzw. Weltbürgerkrieg.

Montag, 5. Dezember 2011

Partei der "Inhalte"

Was wären die Parteien ohne ihre lebenden Denkmäler aus der Vorwendezeit? Der SPD Parteitag hat Helmut Schmidt gestern nach seiner Rede frenetisch gefeiert. Ich persönlich halte ihn zwar eher für überschätzt und seine Überheblichkeit für unangebracht. Aber eines kann er nun: So reden, dass man ihm dennoch gerne zuhört.

Direkt nach ihm eröffnete Hannelore Kraft den Parteitag offiziell. Und lebhafter hätte man den Qualitätsverlust, den die SPD bei ihrem Spitzenpersonal erlitten hat, nicht demonstrieren können, als Genossin Hannelore mit dem Satz: "Wir sind eben die Partei der Inhalte".

Diese Vokabel ist Parteimitgliedern, die sich für Politik interessieren, ein vertrautes Ärgernis. Es macht ihnen nämlich bewusst, dass sie von Verwaltungsexperten geführt werden. Wer die "Inhalte" meint betonen zu müssen, hat selbst keine. Outet, dass es in den Vorstandssitzungen inzwischen markiert wird, wenn es mal nicht um Personalfragen, die Satzung oder eine neue Farbe für die Website geht, sondern um das, wofür Parteien gegründet wurden. Idiotischerweise sitzen in immer mehr Parteien immer mehr unpolitische Leute.

Würde ein Anwalt das Anliegen seines Mandanten als "juristischen Inhalt" bezeichnen? Haben Helmut Schmidt, Herbert Wehner, Kurt Schumacher, Willy Brandt je betont, dass ihre SPD die Partei der "Inhalte" ist? Schwachsinnige Vorstellung. Ist ein Aufstand der Anständigen gegen Terror ein politischer "Inhalt"?

Aber das gibt es nicht nur in Parteien. Als die Börsenanalysten vor zehn, zwölf Jahren eine Internetsau nach der anderen durch die Medien trieben, sagten sie irgendwann an, dass nicht mehr Server und Router die wichtigsten Ressourcen des Internet seien, sondern "Content". "Is king" sagten sie. Von da an wurde jeder Journalist, Autor oder überhaupt jeder, der von irgendetwas etwas verstand, zu einem "Contentprovider" (entstanden war diese Bezeichnung aus der Überzeugung, dass man Menschen nur noch mit Powerpointfolien überzeugen kann, aber oft nicht weiß, womit man die Vorlage füllen soll. Wer dies konnte, galt bei den Führungskräften unter Erwin Staudt und Hans-Olaf Henkel als "Provider" und hatte eine "intrinsische Motivation - also jenseits von Boni und Aufstieg). Ich brachte Branchen- und Methodenwissen aus der Energieversorgung mit in die e-business Beratung. Damit galt ich als Provider für "Business Content". Ein aberwitziger Begriff.

Die Kulturnationen sind von Verwaltungsextremisten entführt worden, für die jedes Werk, jede Überzeugung, jedes Interesse, jede Position, jedes Plädoyer nur eine Buchstabensuppe ist, die Speicherplatz in Anträgen, Artikeln, Büchern oder auf Servern belegt. Sie geben ihren Lesern "Stoff". Andrea Nahles eröffnete den Parteitag auf der Website mit einem Artikel über das neue Corporate Design der SPD. Nicht, ohne reichlich Fotos von sich selbst, auf denen ihre neue Frisur erkennbar war. Die SPD Website in ihrer Struktur ist bis heute mitmach-feindlich. Den Livestream musste man gestern suchen, ebenso die Tagesordnung. Die Parteiführung fremdelt immer noch mit dem Internet und bindet ihre Mitglieder nicht ein. Unser OV Rosenthaler Vorstadt betrieb nach außen hin ein sog. "Forum", betrieb aber dabei aber intensiv Zensur. Inzwischen ist es auf der Website nicht mehr verlinkt. Weil "Content" Arbeit macht.

Es ist eine Generation in den Parteistrukturen angekommen, deren einzige Fähigkeit der Überblick über die selbst geschaffenen komplizierten Strukturen und "Prozesse" ist. Mit Politik darf man denen nur bedingt kommen.

Stefan Laurin hat sich gestern über die Schlaffheit der Strukturen im Ruhrgebiet beschwert. Und dass der Zweck der schier unüberblickbaren Strukturen die Versorgung unbegabter Funktionäre aus der Partei ist. Genau so ist das. Es ist das Regime des verschlagenen Mittelmaßes.

Solange es die SPD dominiert und ein Verwaltungsjob als Verwirklichung des Traums vom Aufstieg gilt, wird sich das auch nicht ändern. Jochen Poß z.B. ist, das können Sie nicht wissen, der finanzpolitische Sprecher der SPD Bundestagsfraktion. Hat er auf dem Parteitag zur Finanzkrise gesprochen? Ich habe nichts gehört. Frank-Walter Steinmeier hat gesprochen. Aber hat er nur Fragen gestellt und von der Regierung nur mehr Bewegung gefordert, oder hat er such selbst Stellung bezogen? Ich habe nichts gehört.